In folgenden Beitrag befasst sich Eva Behling, Justiziarin des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh), mit den rechtlichen Hintergründen des Retourenprozesses sowie den juristischen Grundlagen der umfassenden Rechte, die Verbrauchern im Onlinehandel zugestanden werden, wenn sie gekaufte Ware zurückgeben möchten. Dies bildet somit auch das juristische Fundament, auf das jegliche potenziell von den B2C-Händlern zu ergreifenden Maßnahmen zur Retourensenkung oder Steigerung der Kundenzufriedenheit aufbauen müssen. Nur angerissen werden hier die Besonderheiten, die sich in Hinblick auf Retouren entlang der Lieferkette und im stationären Handel ergeben.
Retouren rechtlich richtig einordnen
von Eva Behling, Justiziarin des bevh
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird schlichtweg vom „Retournieren“ bestellter Waren gesprochen und damit meist nur die Retoure im Distanzhandel mit Verbrauchern gemeint. Eine umfassendere Definition des Retourenbegriffs findet sich in Kapitel 2. des vorliegenden Retourenkompendiums. In der Geschäftsbeziehung von im Distanzhandel tätigen Händlern und Herstellern mit Verbrauchern sind insbesondere folgende Gründe für die Rücksendung der Ware maßgeblich: 1. Widerrufsrecht, 2. Gewährleistung, 3. Garantie. Daraus resultierende Retouren im Online- und Versandhandel mit Verbrauchern könnte man als „Retouren im engeren Sinne“ bezeichnen. Für den Begriff des Verbrauchers gibt es eine gesetzliche Definition (s. § 13 BGB ): Demnach ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.
1. Widerrufsrecht
Bevor ein Rückgabe- bzw. Widerrufsrecht gesetzlich verpflichtend eingeführt wurde, hatten viele Versandhändler bereits auf freiwilliger Basis ihren Kunden ein solches Recht als Rückgaberecht und „Kauf auf Probe“ eingeräumt. Somit hatten Kunden die Möglichkeit, die bestellte Ware so auszuprobieren, wie sie sonst Ware im Ladengeschäft ausprobieren würden – bspw. mit Schuhen durch die Wohnung gehen, Bekleidung zu Hause anprobieren und prüfen ob sie passt. Aufgrund der steigenden Popularität von Fernabsatzverträgen und zwecks Vereinheitlichung dieses Rechts wurde erstmals mit der Umsetzung der EU-Fernabsatz-Richtlinie (97/7/EG) im Jahre 2000 ein Widerrufs- bzw. Rückgaberecht gesetzlich geregelt. Seitdem steht Verbrauchern bei Fernabsatzverträgen ein gesetzliches Widerrufsrecht zu (bei einem Vertragsschluss über einen Verkaufsprospekt konnten Verkäufer alternativ auch ein umfassendes Rückgaberecht einräumen). Das Widerrufsrecht hat zur Folge, dass die Vertragsparteien bei dessen Ausübung nicht mehr an den Vertrag gebunden sind. Das gesetzliche Widerrufsrecht steht jedoch nur Verbrauchern zu, Händler haben allerdings die Möglichkeit aus Kulanz auch Geschäftskunden ein Widerrufsrecht einzuräumen. Die Ausgestaltung steht den Händlern in dem Fall frei.
Im Laufe der folgenden Jahre wurde eine Muster-Widerrufsbelehrung formuliert, die Fristen EU-weit vereinheitlicht und Regelungen über die Rücksendekosten getroffen. So mussten bis zum 12.06.2014 Verkäufer die Kosten für die Rücksendung immer dann tragen, wenn der Wert der bestellten Ware 40 Euro überschritten hatte. Dies führte in der Praxis jedoch dazu, dass viele Verbraucher absichtlich mehr bestellten als eigentlich gewollt, um sodann die Möglichkeit zu haben, Waren wieder kostenlos zurückschicken zu können.
Schließlich wurde mit Inkrafttreten des „Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie“ am 13.06.2014, geregelt, dass grundsätzlich der Verbraucher die Kosten für die Rücksendung der Waren zu tragen hat, sofern der Verkäufer darüber informiert. Auf freiwilliger Basis können Verkäufer aber auch weiterhin die Rücksendekosten übernehmen.
Nur in den gesetzlich vorgegebenen Fällen des Katalogs in § 312g Abs. 2 BGB kann das Widerrufsrecht ausgeschlossen werden. Demnach kann das Widerrufsrecht unter anderem ausgeschlossen werden bei Verträgen über personalisierte Waren (Nr. 1), schnell verderbliche Produkte (Nr. 2) und versiegelte Hygieneprodukte (Nr. 3). Über diese konkret benannten, abschließenden Gründe hinaus darf das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen werden. Ein Ausschluss des Widerrufs kommt auch nicht in Betracht, wenn der Verbraucher die Ware nicht in der Originalverpackung zurücksendet. In diesem Fall steht dem Verkäufer allerdings ein Wertersatz zu.
Erleidet die Ware einen Wertverlust, der auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war, so steht dem Verkäufer gegenüber dem Verbraucher ein Recht auf Wertersatz zu - § 357 Abs. 7 BGB. Im Rahmen des EU-Gesetzgebungsverfahrens „New Deal for Consumers“ wurde im ersten Gesetzesentwurf in solchen Fällen ein Ausschluss des Widerrufsrechts vorgesehen. Da damit jedoch eine Schlechterstellung der Verbraucher befürchtet wurde, sah man im weiteren Gesetzgebungsprozess von dieser Änderung ab. Aufgrund der bereitwilligen Kundenfreundlichkeit von Händlern in der Praxis sind solche Bedenken jedoch unbegründet.
Über dieses gesetzlich geregelte Widerrufsrecht hinaus haben Verkäufer auch immer die Möglichkeit, den Kunden weitere Rückgabemöglichkeiten einzuräumen (bspw. Einräumung eines Stornorechts) oder das bereits bestehende auszudehnen (bspw. Verlängerung der Widerrufsfrist).
2. Gewährleistung
Unabhängig vom Widerrufsrecht und unabhängig davon, ob der Kunde Verbraucher oder gewerblicher Abnehmer ist, steht ihm ein Gewährleistungsrecht zu, wenn die Ware zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kunden mit einem Mangel belastet waren. Das Gewährleistungsrecht steht Kunden grundsätzlich zwei Jahre lang zu und ist unabhängig davon, ob die Ware on- oder offline gekauft wurde. Speziell im B2C-Verhältnis wird innerhalb der ersten 6 Monate1 durch eine Beweislastumkehr vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war und dies nicht vom Verbraucher belegt werden muss. Liegt ein Mangel vor, so muss der Händler nach Wunsch des Verbrauchers zunächst entweder eine Ersatzlieferung veranlassen oder die mangelhafte Ware reparieren (Nachbesserung). Nur wenn die Wahl des Verbrauchers mit einem unverhältnismäßigen Aufwand für den Händler einhergeht, kann er die Wahl des Verbrauchers ablehnen. Die Kosten im Rahmen des Gewährleistungsrechts (wie Rücksendung, Neulieferung, etc) sind immer vom Händler zu tragen, der hierfür bei seinem Lieferanten Regress nehmen kann. Auch wenn es sich bei qualitativen Falschlieferungen und Minderlieferungen nicht um einen Mangel handelt, werden sie doch rechtlich ebenso behandelt, sodass in solchen Fällen der Kunde Neulieferung oder Nachbesserung verlangen kann.
3. Garantie
Zusätzlich zu der gesetzlichen Mängelhaftung können sich Händler, Hersteller oder ein sonstiger Dritter auf freiwilliger Basis verpflichten den Kaufpreis zu erstatten, die Sache auszutauschen, nachzubessern oder in ihrem Zusammenhang Dienstleistungen zu erbringen, falls die Sache nicht diejenige Beschaffenheit aufweist, die in der Erklärung oder einschlägigen Werbung beschrieben ist. Wie Kunden dieses freiwillige Recht geltend machen können, ist dabei in den Bedingungen geregelt, die der Garantiegeber vorgibt. Üblicherweise werden die Kosten im Falle einer Garantie vom Garantiegeber übernommen. Im Verhältnis zum Widerrufsrecht und der Gewährleistung spielen Garantien eher eine untergeordnete Rolle.
4. Annahmeverweigerung, Lieferung an falsche Adresse
Verweigert der Kunde die Annahme des Pakets stellt dies keine Lösung vom geschlossenen Kaufvertrag dar. Insbesondere stellt die Annahmeverweigerung keinen Widerruf mehr dar, da seit dem 13.06.2014, mit dem Inkrafttreten des „Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie”, eine eindeutige Erklärung des Widerrufs gefordert wird. Vielmehr gerät der Kunde mit der Annahmeverweigerung in Annahmeverzug, §§ 293 BGB ff. Ebenso verhält es sich, wenn der Kunde seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist und eine falsche Adresse angegeben hat.
5. Produktrückruf
Das Produktsicherheitsgesetz gibt vor, dass ein Produkt nur dann auf dem Markt bereitgestellt werden darf, wenn es bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet. Wird festgestellt, dass ein Produkt den Anforderungen nicht entspricht, müssen Hersteller die jeweils erforderlichen Maßnahmen treffen und auch die Vertreiber darüber unterrichten. Der Rückruf eines Produkts stellt im Fall von Sicherheitsrisiken dabei die ultimative Maßnahme dar und ist auch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist möglich.
6. Retouren entlang der Lieferkette
Als Gründe für eine Rückgabe im B2B-Verhältnis kommen in Betracht: das Gewährleistungsrecht, Produktrückrufe (aufgrund markenrechtlicher oder wettbewerbsrechtlicher Gründe, sowie aufgrund von Sicherheitsmängeln) oder eines freiwilligen Rückgaberechts von Produktüberhängen insbesondere bei Saisonware.
Beim Gewährleistungsrecht sind die Spezifikationen des Handelsrechts zu berücksichtigen. Bei Lieferungen unter Kaufleuten hat der Käufer die kaufmännische Rügepflicht zu beachten, wonach gelieferte Waren unverzüglich zu untersuchen sind und ein Mangel auch unverzüglich gemeldet werden muss. Dies führt oftmals dazu, dass aufgrund einzelner Stichproben ganze Paletten zurückgeschickt werden.
Verstößt ein Produkt gegen geistiges Eigentum (Marken-, Patent- oder Designrecht) oder Wettbewerbsrecht, ist es an dem Rechteinhaber über das Schicksal der rechtswidrigen Produkte zu entscheiden. Der Rechtsinhaber kann den Abverkauf billigen oder aber auch verlangen, dass solche Produkte, die sich noch in der Lieferkette befinden (beispielsweise im Lager von Zwischenhändlern oder der Verkäufer), zurückgerufen und vernichtet werden.
Für Ladenhüter oder Saisonware bieten Hersteller Rückgabemöglichkeiten an. Ob und unter welchen Umständen Hersteller für die Rücknahme Abschlagskosten erheben, ist ihnen dabei selbst überlassen.
7. Retouren im stationären Handel
Das Widerrufsrecht steht Verbrauchern explizit nur bei Fernabsatzverträgen zu. Aber auch im stationären Handel räumen Verkäufer auf freiwilliger Basis ihren Kunden oftmals ein Rückgaberecht bei Nichtgefallen ein. Verbraucher können somit auch beim Kauf im Ladengeschäft die Kaufentscheidung zu Hause noch einmal überdenken und gegebenenfalls die Ware zurückgeben. In welchem Zeitraum dies möglich ist, ob einzelne Produktsegmente vom Rückgaberecht ausgeschlossen sind und ob der Kunde den Kaufpreis ausgezahlt bekommt oder stattdessen ein Wert-Gutschein ausgestellt wird, kann der Verkäufer in diesen Fällen selbst entscheiden.
Fazit
Es gibt viele Gründe warum Produkte an Händler zurückgeschickt werden, woraus grundsätzlich unterschiedliche Rechtsfolgen resultieren. Eine genaue Abgrenzung wird dabei in der Praxis sicherlich nicht immer zwangsläufig gemacht (beispielsweise, wenn ein mangelhaftes Produkt innerhalb der Widerrufsfrist zurückgeschickt wird). Sicher dürfte jedenfalls sein, dass Verkäufer bei Rückgaben oftmals den rechtlichen Rahmen im Sinne der Kunden großzügiger auslegen. Auch wenn der Fokus dieses Kompendiums auf den Retouren von Verbrauchern liegt, sollten die Retouren entlang der Lieferkette nicht unbeachtet bleiben. Hier sind Abwägungen zwischen Qualitätsstandards, Schutz der geistigen Rechte und ökonomischem Wirtschaften an der Tagesordnung.